Leseprobe Beni und die Bat Mitzwa

 

Illustration © Anna Adam

Mama und Tabea hocken nebeneinander auf der Couch, um sich herum zerknüllte Papiertaschentücher. Mamas Schminke ist zerlaufen, und Tabea hat ganz rote Augen. Offensichtlich haben beide geweint, und Beni weiß nicht, wie er an ihnen vorbeikommen und den Fernseher anschalten könnte. Von Papa, der am Samstagabend eigentlich auch immer Sportschau kuckt, keine Spur. Und das obwohl heute der drittletzte Spieltag der Bundesliga ist!
Auf einmal lacht Mama auf. Sie streicht Tabea die Haare aus dem Gesicht, klopft ihr auf die Schulter und sagt: "Weißt du, ich bin so stolz auf dich. Du bist das erste Mädchen in der Familie, das Bat Mitzwa wird. Die erste, die öffentlich aus der Tora vorlesen wird!" Tabea schaut sie an und lächelt unsicher. Mamas Stimmungswandel ist ihr nicht geheuer.
"Als ich so alt war wie du", fährt Mama fort, "durften Mädchen und Frauen in keiner Synagoge in Berlin aus der Tora vorlesen. Ich war sehr eifersüchtig auf meine Brüder, die mit allem Brimborium ihre Bar Mitzwa feiern konnten. Dann schweigt sie nachdenklich, aber noch immer traut sich Beni nicht, an den beiden vorbei zum Fernseher zu gehen. Plötzlich meint Mama: „Du wirst es ganz toll machen, Tabea. Auch das Tanzen!“
Auch das Tanzen? Hat sich Beni da verhört? Er starrt Mama und Tabea an. So wie Tabea strahlt, hat er offensichtlich genau richtig gehört. Aber schon heult Tabea wieder los und wirft sich Mama in die Arme.
Es reicht! Es reicht, es reicht, es reicht! Beni hält dieses Affentheater nicht mehr aus. Er wird ausziehen. Auf der Stelle.

 

 
 
 
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